Tetsuya Tsutsui… ein Name, ein Mangaka, der mir bis vor kurzem absolut unbekannt war.
Ich mag meine eigene Unbedarftheit bezüglich japanischer Comics, obwohl ich selbige schon viele Jahre lese. Dadurch werde ich immer wieder überrascht, inspiriert und irgendwo auch begeistert.
Man leckt Blut und fängt schließlich Feuer für das Objekt der Begierde. So neuerlich geschehen mit Manhole aus dem Carlsen Manga Verlag.
Mal wieder eine der äußerst seltenen anspruchsvolleren Seinen Veröffentlichungen, welche von jeher im deutschsprachigen Manga Sektor keine größere Anhängerschar hervorbringen wird.
Ausbruch, 07.12., 16:32
Sasahara, Honshu
Ein ganz normaler Wintertag in der japanischen Provinz Sasahara. Geschäftiges Treiben erfüllt die beliebte Einkaufsstraße.
Händler bieten ihre Waren feil, andere schlendern nur durch die Gegend, als die seelenruhig natürliche Atmossphäre augenblicklich einen makarberen Sprung vollführt.
Ein nackter Mann… blutbesudelt… tappt urplötzlich unverständliche Worte brabbelnd durch die Händlerstraße. Zerschneidet damit konsequent die tagtäglichen Abläufe der Menschen radikal. Sprachlosigkeit gepaart mit Entsetzen übernimmt die Menschen.
Der Unbekannte kreuzt kurze Zeit darauf seinen Weg mit dem Studenten Yoichi Amamiya, welcher Gedankenverloren an seinem Handy fummelte. Aus seiner Abwesenheit herausgerissen, kann Yoichi den Unbekannten nur noch Reflexartig wegstoßen, nachdem dieser ihm einen Blutschwall entgegengekotzt hat.
Was bislang noch keiner ahnen tut… das Unheil nimmt durch diesen schicksalshaften Zusammenstoß bereits seinen Lauf.
Keine fünfundvierzig Minuten später, trifft die örtliche Kriminalpolizei unter Shuichi Takimoto, Ken Mizoguchi und dessen jüngerer Kollegin Nao Inoue ein und beginnt den Fall zu untersuchen.
Wie sich schnell herausstellt, kam der nackte Mann aus einem naheliegenden Abwasserkanal ans Tageslicht. Warum und wieso? Darauf kann sich die Kriminalpolizei vorerst keinen Reim machen.
Mit Hilfe des von Yoichi am Tatort verlorenen Handys, kann Ken schließlich die Freundin des Geflohenen erreichen.
Mika Sekiguchi streitet natürlich die Bekanntschaft zu Yoichi ab. Nur kein Stress mit der Polizei einhandeln. Diese Reaktion begrüßt auch der bei ihr anwesende Yoichi, der frisch geduscht im momentanen Augenblick, absolut kein Bock auf die Polizei hat. Das Erlebnis ist noch zu frisch…
Als man am gleichen Abend in der Gerichtsmedizin mit der Obduktion des Unbekannten Toten beginnt, werden seltsame Dinge in seinem Körper festgestellt.
Nicht nur das der Mann eine kleine Menge Trichlormethan [Chloroform, Lösungsmittel welches auf Betäubungs Basis fungiert] im Blut hatte, zu allem Überfluss werden die Gerichtsmediziner auf eine weitere unheimliche Sache aufmerksam.
Seltsame Geschwülste am Kopf des Toten, lassen die Mediziner den Mann noch genauer untersuchen. Schließlich obduzieren sie ein Wurmähnliches Lebewesen aus seinem rechten Auge heraus.
Tadao Sugano und sein Kollege sind wie vor den Kopf gestoßen. Stehen vor einem bislang unfassbaren Rätsel.
Am Morgen darauf treffen endlich die Obduktionsergebnisse in der Kriminalabteilung von Sasahara ein. Der Unbekannte Tote entpuppt sich als der 32jährige Arbeitslose Yoshito Horikawa.
Ken und seine Kollegin Nao beginnen mit den Ermittlungen, welche sie zu der heruntergekommenen Wohnung der Eltern führt. Hier angekommen erzählt die Mutter, Toshie Horikawa den beiden Polizisten von den Problemen ihres Sohnes.
Als einzige Reaktion auf die Probleme [der Sohn leidet unter Spielsucht] und der damit eskalierenden Häuslichen Gewalt, steckte man den Sohn auf Anraten eines Bekannten des Vaters, in eine mysteriöse Einrichtung.
Nicht wissend welchen Zweck diese Einrichtung erfüllt, kann die Mutter den beiden Ermittlern schließlich nur eine Adresse aushändigen.
Sasahara Chikuno-cho 2-9-15
Gerade als Ken und Nao beschließen die Einrichtung aufzusuchen, trifft ein Anruf der Gerichtsmedizin ein. Man teilt Ken mit, dass Yoshito von Filarien [parasitäre Fadenwürmer] befallen war.
Diese neuen Erkenntnisse bezüglich des Toten zwingen die beiden Ermittler zu einer Planänderung. Sie kehren vorerst auf das Revier zurück auf welchen parallel dazu auch der Student Yoichi eintrifft um seine Aussage zu machen.
Ken verdonnert derweil Nao von Yoichi das Protokoll aufzunehmen [damit sie sich doch mal endlich nützlich machen solle], während der Beamte selbst sich mit dem Gerichtsmediziner Tadao unterhält.
Die Vernehmung des Studenten wird für Nao ein komplettes Desaster. Nicht nur, dass sich Yoichi’s äußerlicher Zustand während der Vernehmung verändert, zu allem Überfluss scheint er auch seine mentale Wahrnehmung zu verlieren.
Verwirrt und orientierungslos verlässt er Hals über Kopf das Polizeirevier und wird kurz darauf Opfer eines Verkehrsunfalls.
Die sprichwörtliche Kacke ist mehr als am dampfen… und dabei wissen die Ermittler noch gar nicht, was sie tatsächlich erwarten wird.
Eine bislang unbekannte Person brachte von einer Reise nach Afrika vom Stamm der Einäugigen diesen äußerst aggressiven Parasiten mit nach Japan, um Selbstjustiz an Verbrechern auszuüben.
Der eigentliche Hintergrund, die komplette Tragweite des Ausbruchs reicht jedoch tiefer in menschliche Abgründe hinab, als man anfangs vermuten tut.
M A N H O L E – Persönliche Meinung
Tetsuya Tsutsui veröffentlicht mit Manhole eine dreibändige Geschichte welche dem geneigten Genrefreund auf den ersten Blick nichts scheinbar neues liefert.
Sein Grundkonzept ist klar gesteckt. Parasiten > Verbreitung > Ansteckung der Bevölkerung > mögliche Gegenhandlungen.
Diese infektiösen Bausteine kennt man rudimentär aus anderen Klassikern ala Bio Hazard und co. Was Manhole dann doch zu einem spannenden Epidemie Thriller wachsen lässt, sind vielerlei Faktoren.
An erster Stelle seien da wohl Tsutsui’s Recherchearbeiten bezüglich des durchaus realistischen Themas genannt.
Man merkt recht schnell, dass sich der Autor eine gewisse Zeit mit dem eigentlichen Übel der Geschichte bestehend aus Fadenwürmern, deren Überträger der Asiatischen Tigermücke und dessen kuriose Vermehrung und Ausbreitung beschäftigt zu haben scheint.
Dies schürt einerseits persönliche Wissenserweiterung und auf der anderen Seite einen spannenden gegen die Zeit gerichteten Countdown in der Geschichte.
Den wohl größten Pluspunkt kann Manhole aber aus der Erzählstruktur selbst und dem äußerst sympathischen Polizistenduo Ken Mizoguchi & Nao Inoue schöpfen. Diesen zwei… quasi Hauptakteuren bei ihrer Arbeit in diesem ungewöhnlichen Fall zu folgen, ist einfach ein Heidenspass. Witzig, spannend und demzufolge treibend.
Der alte Hase Ken mit seiner jungen, manchmal noch etwas schusselig altklugen Kollegin Nao, welche im Verlauf der Geschichte aber wachsen wird [ab Band 2], ist einfach richtig gutes Erzählgut verpackt in fein strukturierte Bilderpanels.
Vorallem der abschließende 3. Band, verzeichnet nochmals einen gehörigen Designschub gegenüber seinen bereits sehr gut detailierten Vorgänger Ausgaben. Ein besonderes Leckerli sind darüberhinaus die in Wasserfarben kolorierten Backcover der drei Mangabände.
Mangaka Tsutsui hat einen detailiert feinen und realistischen Zeichenstil, welcher besonderst bei den Infizierten sehr gut zur Geltung kommt. Auch die restlichen Panels sind eine Freude für anspruchsvolle Szenenfans.
Der Manga verfällt an keiner Stelle in aufgesetzte Gewalt oder Splattereffekte [wie es ähnliche Dummdödel Manga Publikationen regelmäßig praktizieren]. Nüchtern und Detailreich zeichnet er den Ausbruch der Epidemie nach. Fügt zusätzlich sogar eine kurze fein gelungene differenzierte Hommage an den Klassiker Ring [Band 2 Kapitel 16, 17] ein.
Setzt als Gegenpol zur Epidemie, die ebenfalls klug und realistisch beobachtete Polizeiarbeit und die Geschichte der darin verwobenen Personen um. Manhole beginnt durch diese Erzähl und Bilderweise eine fast schon filmische Umsetzung zu erreichen.
Vorallem der Manhole Abspann unterstreicht diese Feststellung mehr als augenscheinlich.
Tetsuya Tsutsui bietet mit seinem Epidemie Manga vielleicht keine neuen Auslotpunkte innerhalb des Genres selbst, dennoch kann das Werk durch einen realistischen Zeichenstil, einen spannenden Handlungsbogen mit Überraschungen und sympathischen Protagonisten sowie glaubhaften Antagonisten aufwarten. Insgeheim wünscht man sich (so erging es mir jedenfalls), dass das äußerst sympathische Polizistenduo einen weiteren Fall inklusive Manga bekäme.
Eventuell kommt das durchaus clevere Ende etwas zu schnell daher. Dies liegt aber meiner Meinung nach daran, dass das Werk allgemein keine großen Probleme hat seine Geschichte in einem zügigen Durchlauf abzuwickeln.
Manhole verfängt sich eben nicht in Überflüssigkeiten. Der Lesefluss bleibt / blieb konstant [jedenfalls bei mir] oben.
Man kann nur hoffen, dass Carlsen Manga ein Einsehen hat, und zumindest Tetsuya Tsutsui’s neuestes Werk Prophecy irgendwann in die heimischen Händlerregale bringt. Das dieser hierzulande noch nahezu unbekannte Mangaka Potenzial hat, steht außer Frage.
Manhole verbleibt bis dahin als ein kleiner feiner Geheimtipp für Freunde des Genres und ältere Leser mit Hirn.