Der Jahrgang 1995 brachte zweifelsohne wichtige Werke mit Science Fiction Hintergrund auf den japanischen Animationsmarkt. Mit Ghost in the Shell wurde Masamune Shirow’s gleichnamige Mangavorlage umgesetzt. Gundam Wing lieferte einen weiteren Eintrag im bekannten Space Opera Universum ab und mit der Veröffentlichung von Neon Genesis Evangelion wurde Szene intern die heilige Kuh erschaffen.
Abseits dieser gewichtigen Einträge… ein weiterer Genre Kanditat aus den Anfangsmonaten jenes Jahres entsprang dem bekannten Animationsstudio AIC. Ein gerne auch in Co-op agierendes Studio, was in den frühen 90iger Jahren mit Titeln wie AD Police oder Detonator Orgun in Erscheinung trat.
Mit der vierteiligen OVA Armitage III erschuf man ein Universum, welches schon vor erscheinen von Mamoru Oshii’s Ghost in the Shell Animeumsetzung ähnliche Denkanstöße ansprach und den Zuschauer in eine futuristische Zukunft versetzte in deren Zentrum die Existenzangst der Menschen vor den Maschinen zunimmt.
Für das heutige Anime Review wusel ich mich durchs heimische Animeregal, um Euch die scheinbar schöne neue Welt von Naomi Armitage und ihren Kollegen etwas näher vorzustellen.
{Mars, 2179}
Ross Sylibus ein von der Erde stammender Polizist, lässt sich nach tragischen Vorfällen in seiner beruflichen Vergangenheit auf den schon lange durch Terraforming bewohnbar gemachten roten Planeten Mars versetzen. Nichts ahnend von den politischen und sozialen Problemen, welche den Mars mindestens ebenso lange im Griff haben, macht er sich als Passagier eines Raumshuttles bereit zur Landung am St. Lowel Raumhafen.
Während der bevorstehenden Landesequenz wird er zufällig Zeuge eines Gesprächs zweier Passagiere. Eine junge, sichtlich genervte Sängerin und deren Manager debattieren über den bevorstehenden Auftritt der Frau in der Mars Metropole St. Lowel City. Sie sei müde und wolle nicht auftreten. Mehr Sorgen mache sie sich um ihre Gitarre im Laderaum des Shuttles.
Die eigentlichen Probleme dieses scheinbar belanglosen Gesprächs, beginnen außerhalb der Wahrnehmung der Shuttle Passagiere…
Ein blondhaariger Unbekannter verschafft sich parallel zur beginnenden Fracht und Passagier Abfertigung Zugang zum Laderaum und sabotiert deren Technik. Ein minimales Zwischenfällchen erwächst aus dieser Tat. Passagiere werden unsanft durchgeschüttelt und schlussendlich spuckt der Shuttle die Reisenden im Raumhafen aus, unter denen sich auch der Polizist Ross Sylibus befindet.
Ein ungewohntes Bild bietet sich dem ehemaligen Erdenbewohner, als er sich für eine kurze Verschnaufpause in der Raumhafenhalle umschaut. Unzählige Fans warten bereits auf die Ankunft der Country Sängerin Kelly McCanon, genau jene Frau deren Gespräch Ross noch im Shuttle verfolgt hatte.
Gedankenverloren amüsiert sich der Polizist noch über die Anhänger der Sängerin, als Ross unsanft durch einen Rempler aus seinen Gedanken gerissen wird. Eine Gruppe Personen im Gepäck ein großer Koffer schießt an ihm vorbei, ohne sich für jene Aktion zu entschuldigen. Was solls…
Gestatten Naomi Armitage. Neue Partnerin von Ross Sylibus.
Keine Sekunde darauf ändert sich die Situation, als eine junge Frau eben jene Rüpel zum Stehenbleiben auffordert. Zackig ruft sie nur allzu bekannte Forderungen. Mit den folgenden denkwürdigen Aktionen lernt Ross Sylibus so seine neue Partnerin die MPD (Mars Police Department) Angestellte Naomi Armitage kennen.
Sie fackelt nicht lange und schaltet die düsteren Begleiter des blondhaarigen Unbekannten aus. Der namenlose Attentäter aus dem Shuttle selbst kann unter Waffengewalt fliehen. Viele Scherben und Chaos hinterlassend. Der erste Fall scheint sich mit diesem Zwischenfall anzubahnen, denn der Inhalt des Koffers ist nicht weniger als die blutige Leiche der noch vor kurzer Zeit lebenden Countrysängerin McCanon. Wäre das nicht genug und um den Mordfall eine zusätzliche Brisanz zu verpassen… die Sängerin scheint kein Mensch gewesen zu sein.
Als Ross und Armitage vor dem Polizeipräsidium in der Innenstadt ankommen, weiss die Presse schon Bescheid. Man löchert den Polizisten mit Fragen bezüglich der Identität des Opfers. Kein Kommentar! Man kennt es. Im Department selbst sind die neuen Kollegen und deren Vorgesetzter schon einen Schritt weiter. Kelly sah einem Menschen zwar täuschend ähnlich, doch ihr Gehirn ist ein reiner Chipbaustein. Illegal noch dazu, da die verwendete Technologie weit über jener der sogenannten Seconds liegen tut.
Die Seconds sind eine von den Menschen geschaffene Roboterbaureihe, auf deren Verdienst die damalige Urbanisierung des Mars zurück geht. Alles was den roten Planeten zu dem macht, was er im aktuellen Fall ist, geht auf des von Menschen errungenen technologischen Fortschritts zurück.
Das MPD Team fördert erste entscheidende Anhaltspunkte zum Mord zu Tage.
Nachdem erste Details in diesem Mordfall erörtert wurden, brechen Armitage und Ross zu dessen neuer Wohnung auf. Hier angekommen wartet bereits die nächste Überraschung, als man im TV vom Attentäter zugespieltes Material des begangenen Mordes sendet. Eines steht damit fest… der bislang flüchtige Unbekannte ist tatsächlich der Täter. Die Gründe dafür bleiben jedoch verborgen. Vorerst.
Am darauffolgenden Tag beginnt Kommisar Ross Sylibus mit seiner Ermittlungsarbeit in St. Lowel City. Eine fürwahr technologische Zukunftsutopie der Menschheit. Doch wie sooft ist nicht alles Gold was glänzt. Dies beweisen schon die zahlreichen aufflackernden Proteste der menschlichen Bewohner gegen die unaufhaltsame Roboterisierung der marsianischen Hightech Gesellschaft.
Als er beim derzeitigen Marktführer im Bereich Roboterentwicklung HU-Gite angekommen ist, erfährt Ross von dessen Geschäftsführer von der langjährigen Tradition solcher Firmen hier auf dem Mars sowie von den Thirds. Ein weiterer Meilenstein im Bereich humanoider Android. Praktisch nicht mehr von einem echten Menschen zu unterscheiden. Dennoch vertritt man bei HU-Gite den Vorsatz, dass Roboter nicht vermenschlicht werden sollten. Ihre eigentliche Aufgabe ist klar gesteckt… Unterstützung von menschlichen Leben und seinen Bedürfnissen.
Die Firma Hu-Gite ist der derzeitige Marktführer auf dem Mars.
Diese informative Sachlage treibt Ross schließlich in eine weitere Firma namens Conception. Hier angekommen trifft er sogleich auf seine Arbeitswütige Partnerin Armitage, welche just mit dem Roboter Personal einen Streit beginnt.
Gerade rechtzeitig entschärft Ross die Situation und erfährt kurz darauf weitere Neuigkeiten von Naomi. So sei die Firma Conception der Entwickler der berühmten Second Baureihe aber durch das Know-how der Firma HU-Gite schon längst auf die weiteren Ränge verwiesen wurden. Kein Pep unter’m Arsch wie Naomi nett anmerkt. Schön und gut.
Auch ein späteres Gespräch mit dem Manager von Kelly in einer Bar bringen die Ermittlungen der beiden Polizisten nicht wirklich vorran. Schließlich kommt es auf dem Parkplatz zu einer Diskussion zwischen den Kollegen. Eine unausgesprochene Vermutung bezüglich seiner neuen Kollegin wächst in dem Polizisten heran. Ist Sie etwa? Mit dem plötzlichen Erhalt einer wichtigen Nachricht nimmt der Fall wieder Fahrt auf.
Eine sichtlich aufgeregte Frau namens Jessica Munnings wolle unbedingt mit Armitage sprechen, da sie die Liste der Thirds hat. Sie brauche dringend Schutz, denn der Unbekannte habe ihr eine Nachricht zukommen lassen.
Da Armitage mittlerweile verschwunden ist, bricht Ross unverzüglich zum Anwesen der Frau auf. Während der Autofahrt verbreitet der Attentäter weiteres Material über die Nachrichtensender und gibt sich sogar zu erkennen. Ein gewisser D’anclaude steckt hinter den Taten und will mit seinen mörderischen Aktionen die Menschen aufrütteln, da sie von den Robotern getäuscht werden würden. Genauergesagt von den nicht vom Menschen zu unterscheidenden Androiden Imitaten namens Thirds. Das nächste Opfer ist Jessica Munnings, die Malerin.
Kurz darauf erreicht der MPD Cop das mittlerweile arg lädierte Anwesen und trifft hier nur noch auf eine verzweifelte Bekannte der Künstlerin. Jessica selbst ist verschwunden und Jenny bittet Ross unter Tränen ihr zu helfen. Doch dessen Bemühungen bleiben leider umsonst… er findet die Androidin schließlich inmitten eines brennenden Roboterscheiterhaufens in der Stadt.
Der sterbende Third kann als letzte Aktion nur noch ein wetvolles Datenpaket Richtung Naomi Armitage senden. Die Liste der Thirds!
Ein wertvolles Datenpaket für Armitage.
Am Ende dieser ersten von vier OVA Episoden namens Electric Blood steht schließlich das aufeinandertreffen zwischen D’anclaude und den beiden MPD Beamten Ross Sylibus und Naomi Armitage.
Doch die Festnahme des Mörders ist längst nicht die Antwort auf die tatsächlichen Probleme welche die Mars Metropole St. Lowel City und seine Bewohner plagen.
Was hat es mit Julian Moore auf sich? Welches Geheimnis verbirgt Naomi’s Vater? Was steckt hinter den Assassinroids und wie ist darin die Erd und Marsregierung involviert?
Fazit – Armitage III
Nach einer erneuten Sichtung der vierteiligen OVA Armitage III für dieses Review steht an erster Stelle ein Fakt.
Auch nach 22 Jahren hat das Animationsmaterial nichts von seiner ursprünglichen Faszination verloren. Dies begann mit schwachen Erinnerungen an die damaligen dcpt VOX Nächte sowie Pioneer’s VHS Veröffentlichungen und ging über zu einem grinsen beim unvergessenen Opener Theme dieses Werkes nach einlegen der DVD.
Den Genre Freund erwartet ein unterhaltsamer Science Fiction Krimi welcher nicht zum Selbstzweck erschaffen wurde, sondern tatsächlich etwas zu erzählen hat. Eine Feststellung die sich bei mir nach langer Zeit des letzten Kontakts zu dieser Serie erneut bestätigen sollte.
Sicherlich hat man mit der Protagonistin Naomi Armitage auch tief in die Fanservice Kiste für den hauptsächlich männlichen Konsumenten gegriffen. Ihr Auftritt. Das Design. Bestehend aus Kettenohrringen, Lederhandschuhen, knappen knallig roten Lack und Lederstoff formvollendet mit Strapsen welche in hohen Stiefeln stecken. Hier war schon Methode dahinter. Scheint dadurch eine insgeheime Fortführung der sexy Boomer aus AD Police zu sein, an welcher AIC ebenfalls beteiligt war.
Dennoch definiert sich die toughe junge Polizistin nicht allein über ihr einprägsames Kleiderwerk, sondern die Taten und damit ihre eigene Geschichte in diesem dystopisch angehauchten Universum.
Und eben jenes verpacken die Macher der OVA in ein sehenswertes Gesamtpaket, dass keine größere Zeit mit Unzulänglichkeiten verbringt, sondern dass Geflecht aus agierenden Personen und der Geschichte dahinter kurzweilig entblättert.
Wir haben einerseits das MPD Team um Ross und Naomi von der Vergangenheit gezeichnete aber auch suchende Charaktere, denen gegenüber ein wunderbar durchgeknallter Gegenspieler namens D’anclaude steht. Seine Beweggründe sind rabiat aber nicht weniger glaubhaft.
Die Einbindung weiterer wichtiger Personen für das Universum, in die Geschichte erfolgt aufgrund der Lauflänge pro Episode zackig aber nicht weniger unüberlegt.
Der Flow der Geschichte folgt dabei dennoch einem guten Mix aus ruhigen und getriebenen Passagen. Verliert in dieser Wechselwirkung der Geschwindigkeit jedoch nie den Fokus um hinter das größere Geheimnis des ganzen zu gelangen.
Auch die Animation, deren Qualität und die allgemeine Bildersprache ist für ein Werk dieses Alters absolut in Ordnung. Die Glaubhaftigkeit der Welt ist durch die verwendeten Genre Querverweise… Roboter, Androiden, Datenübertragung, Gebäude, Soziale und Politische Brandherde etc. gegeben und vermittelt so ein feines in der Zukunft liegendes Hightech Universum. Der technologische Aspekt in der futuristischen Metropole kommt durch zusätzliche Mechanical Design Einbindungen gut zur Geltung.
Unterstützt wird das Visuelle durch die passenden hauptsächlich elektronischen Kompositionen und deren Klangwelten, die den Zuschauer durch die Ermittlungen der beiden Polizisten begleiten werden.
Somit bastelt sich aus all diesen zwar schon seinerseits bekannten Versatzstücken des Genres ein für 1995 im Spektrum der Animation gelungenes Werk, welches innerhalb der gebotenen Thematik ein durchaus sehenswerter Vertreter ist. Man darf keine Revolution innerhalb des Genres erwarten, sondern sich auf eine unterhaltsame Reise durch dieses Science Fiction Universum einstellen. Ältere Animationsfreunde dürfen gerne noch ein kleines Nostalgiesternchen draufpacken, was aber an der eigentlichen Tatsache nichts groß ändern wird.
Obwohl Armitage III vor Kokaku Kidotai erschien. Öfters liest man dann auch den Vergleich zu Mamoru Oshii und Ghost in the Shell. Sorry Naomi hier zerbrichst Du leider meiner Meinung nach. Auch wenn die Schöpfer fragmentarisch Naomi die Gelegenheit geben ihre Existenz, dass Universum in dem sie existiert zu hinterfagen. Aufgrund ihrer seriellen „Kindlichkeit“ wird hier dennoch niemals die legendäre triefende Tiefe und Melancholie einer Motoko Kusanagi erreicht.
Macht aber rein gar nichts, da Armitage III in ihrer eigenen Welt, ihrem Universum, dennoch jener ganz eigener erinnerungswürdiger Charakter bleiben wird.
Auch heute. 22 Jahre später…